Herr O. aus Nigeria
Herr O. nahm bereits Ende 2018 erstmals Kontakt zur ZRB in Mühldorf auf, nachdem er bei einer Infoveranstaltung, die gemeinsam von ZRB und einem lokalen Helferkreis in seiner Unterkunft organisiert wurde, von der Beratungsstelle erfahren hatte.
Kurz vor seiner ersten Terminanfrage war der Klient seitens des Verwaltungsgerichts darüber informiert worden, dass seine Klage gegen den negativen Asylbescheid zurückgewiesen wurde. Entsprechend erhielt er die behördliche Aufforderung, die Bundesrepublik zu verlassen und sich die zu diesem Zweck benötigten Reisedokumente zu beschaffen, die ihm zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorlagen.
Im ersten Beratungsgespräch berichtete der Klient ausführlich über seinen Hintergrund und seine aktuelle Situation: Herr O. hatte Nigeria bereits 2015 verlassen. Er konnte sich eine freiwillige Rückkehr in sein Heimatland gut vorstellen, da er seine Frau und seinen 6-jährigen Sohn sehr vermisste.
In seiner Kindheit war dem Klienten nur ein dreijähriger Grundschulbesuch möglich gewesen. In Folge dessen war er auch im Alter von nunmehr 38 Jahren nur schlecht alphabetisiert. Lesen, Schreiben und Rechnen fielen ihm schwer. Trotz dieses Mankos konnte Herr O. auf eine 20-jährige Karriere als Mechaniker in verschiedenen KfZ-Fachwerkstätten in Nigerias Hauptstadt Abuja zurückblicken. Dies wurde auch durch eine Vielzahl von Fotografien und diversen Arbeitszeugnissen eindrücklich belegt.
Eine Wiederanstellung bei einem seiner alten Arbeitgeber nach seiner Rückkehr erschien Herrn O. aus verschiedenen Gründen nicht möglich - nicht zuletzt, weil dies eine erneute Trennung von seiner Familie bedeutet hätte. Entsprechend entwickelte der Klient den Plan, selbst eine kleine Werkstatt in seinem Heimatort Oluku nahe Benin City zu gründen.
Mit dem Ziel einer Rückkehr und der Gründung einer eigenen Werkstatt vor Augen, machte sich Herr O. in den folgenden Wochen und Monaten mit Unterstützung der ZRB sowie ehrenamtlicher Begleiter*innen mit großem Engagement daran, seinen Plan zu verwirklichen.
Durch die Vermittlung der ZRB konnte Herr O. an einer mehrmonatigen reintegrationsvorbereitenden Trainingsmaßnahme bei Social Impact (www.socialimpact.EU) in München teilnehmen. Der Fokus lag hier auf Erarbeitung eines Businessplans für die Autowerkstatt sowie auf der Vermittlung von grundlegenden unternehmerischen Kenntnissen. Zugleich ermöglichte der erfolgreiche Abschluss des Kurses dem Klienten Zugang zu einer Sonderförderung der EU für Rückkehrer*innen. Voraussetzung hierfür war, dass mittels der Geschäftsgründung nachweislich mindestens ein weiterer Arbeitsplatz im Herkunftsland geschaffen werden konnte.
Parallel zum Businesstraining gelang es Social Impact, den Klienten zusätzlich für eine begleitende Alphabetisierungsmaßnahme anzumelden, an der er mit großem Einsatz und Erfolg teilnahm.
Ebenfalls durch die ZRB vermittelt wurde dem Klienten der Kontakt zum Verein Vision Yamalé (www.vision-yamale.de). Dieser aus einem Helferkreis in Prien am Chiemsee hervorgegangene Verein hat es sich zur Aufgabe gemacht, rückkehrende Migrant*innen mit eigener Geschäftsidee sowohl in der Vorbereitung ihres Vorhabens in Deutschland als auch bei der Umsetzung im Heimatland zu unterstützen. In den letzten Jahren arbeiteten der Verein und die ZRB Mühldorf bereits wiederholt erfolgreich zusammen.
Im konkreten Fall gelang es, gemeinsam ein sechswöchiges Praktikum in einer Autowerkstatt nahe der Unterkunft des Klienten zu organisieren, sodass Herrn O. wieder auf den aktuellen Stand der Fahrzeugtechnik gebracht werden konnte. Auch diese Lerngelegenheit nutzte der Klient mit großem Engagement.
Zudem gelang es Vision Yamalé, die lokale Presse auf den Fall von Herrn O. aufmerksam zu machen und so mehrere Privatpersonen zu gewinnen, die bereit waren über (Sach-)Spenden das Vorhaben des Klienten zu unterstützen.
Parallel zu den Vorbereitungen für die Reintegration und Geschäftsgründung bemühte sich die ZRB gemeinsam mit dem Klienten um das für die Ausreise benötigte Passersatzdokument. Dies stellte eine größere Herausforderung dar, denn es war nötig, zuerst die Geburtsurkunde von Herrn O. zu besorgen, was schlussendlich aber auch gelang. Zugleich wurden seitens der ZRB erfolgreich Förderantrage beim REAG-GARP-Programm des Bundes, beim Bayerischen Rückkehrprogramm sowie beim ERRIN-Programm der EU gestellt und alle weiteren Ausreisevorbereitungen getroffen. Ende Februar 2020 konnte Herr O. schließlich seine Heimreise antreten.
Mittlerweile ist der Klient seit über einem Jahr ausgereist und nach wie vor in regelmäßigem Kontakt mit der ZRB. Alle geplanten Fördermaßnahmen konnten wie vorgesehen umgesetzt werden, auch dank der Unterstützung von IDIA Renaissance, der lokalen nigerianischen Partner-NGO des ERRIN-Programms.
Herr O. hat seine Werkstatt etabliert. Sein Kundenkreis und damit verbunden die Ausstattung seiner Werkstatt wachsen. Zwei Mitarbeiter sind derzeit zusätzlich angestellt, seine Frau unterstützt ihn bei den anfallenden administrativen Aufgaben. Durch das kleine Unternehmen ist der Lebensunterhalt der Familie gesichert und das Schulgeld des Sohnes bezahlt. Auch das kleine Grundstück, auf dem sich die Werkstatt befindet, konnte Herr O. dank der Anfangsförderung mittlerweile erwerben.
Erwähnenswert ist zudem die Tatsache, dass Herr O. mit weiteren Rückkehrern in seiner Region in Verbindung steht. Sie unterstützen sich gegenseitig, z.B. indem sie Kundschaft weitervermitteln. Auch ist Herr O. bei Bedarf gerne bereit, potenziell rückkehrwillige Landsleute telefonisch von seinen Erfahrungen zum Thema der geförderten, freiwilligen Rückkehr zu berichten.
Der Fall von Herrn O. ist mit Blick auf den Umfang der diversen Vorbereitungs- und Förderleistungen sicherlich nicht ganz alltäglich. Allerdings zeigt er exemplarisch, welche Möglichkeiten der ZRB und ihren Klienten*innen unter bestimmten Voraussetzungen zur Verfügung stehen, um eine erfolgreiche Ausreise und Reintegration zu gestalten. Als Erfolgsfaktoren lassen sich im vorliegenden Fall identifizieren:
- Der Klient hat sich frühzeitig nach Bekanntwerden seiner Ausreisepflicht an die ZRB gewendet. Dies wurde von der zuständigen Ausländerbehörde begrüßt und ermöglichte zeitlichen Spielraum für Vorbereitungsmaßnahmen.
- Aufgrund der zur Verfügung stehenden Zeit war es möglich, ein großes Netzwerk aus privaten und professionellen Akteur*innen zu aktivieren. So konnten für das Vorhaben des Klienten passgenaue Unterstützungsangebote gefunden werden. Diese wiederum nahm Herr O. mit großem Engagement wahr.
- Die Werkstattgründung wurde dem Klienten zu einer Herzensangelegenheit. Entsprechend engagiert, verlässlich, zielstrebig und überzeugt ging er an die Umsetzung seines Plans.
- Durch die Kooperation von ZRB, Social Impact und Vision Yamalé konnte der Klient einen realistischen, umsetzbaren und den Fördermitteln angepassten Stufenplan zur Geschäftsgründung entwickeln.
- Der Klient verstand es, offen, freundlich und einnehmend mit (potentiellen) Unterstützer*innen und Medien zu kommunizieren.
- Regelmäßiger Austausch zwischen den einzelnen Akteur*innen (inkl. der zuständigen Ausländerbehörde) zum Stand der Ausreisevorbereitungen sorgten für Transparenz, Vertrauen und eine ungefährdete, zeitlich angemessene Umsetzung der Maßnahmen.